Bei der Bemessung des pfandfreien Betrages sind die gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrages zu berücksichtigen, auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt.
(BGH Urteil vom 05.08.2010 - VII ZB 101/09)

Der Gläubiger betreibt wegen seiner Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, seinen Vater, die Zwangsvollstreckung. Er hat einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, in dem der dem Schuldner monatlich verbleibende pfandfreie Betrag auf 800 € festgesetzt worden ist. Der Schuldner ist noch einem weiteren Kind kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet, und zwar nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in Höhe von 250 € monatlich. Außerdem zahlt er in monatlichen Raten von 100 € eine Geldstrafe ab. Wegen dieser sowie weiterer, hier nicht interessierender Beträge hat er beantragt, den pfandfreien Betrag auf 1.200 € zu erhöhen. Mit Beschluss vom 2. Februar 2009 hat der Rechtspfleger den pfandfreien Betrag auf 983 € festgesetzt und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Er hat dabei die Zahlung auf die Geldstrafe nicht und die weitere Unterhaltsverpflichtung des Schuldners nur in Höhe von 172,20 € anerkannt, da der Schuldner nur diesen Betrag monatlich im Durchschnitt tatsächlich geleistet hat. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und hierzu in den Gründen ausgeführt, die Frage, ob im Rahmen des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO der gesetzliche Umfang der Unterhaltspflicht oder der tatsächlich geleistete Betrag maßgeblich sei, sei noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht die vom Schuldner zu leistenden monatlichen Raten von 100 € auf die Geldstrafe nicht gemäß § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO bei der Festsetzung des pfandfreien Betrags berücksichtigt hat, ist sie nicht statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Insoweit hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht im Rahmen von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners gegenüber seinem weiteren Kind nur in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt hat.

Bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO sind gesetzliche Unterhaltspflichten in Höhe des vollen dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Unterhaltsbetrags zu berücksichtigen und nicht nur in Höhe desjenigen Betrags, den der Schuldner tatsächlich leistet.

Dem Schuldner ist "so viel zu belassen, als er … zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten … bedarf". Die Ansicht des Beschwerdegerichts, damit sollten lediglich die gesetzlichen Unterhaltspflichten von vertraglichen abgegrenzt werden, greift zu kurz. Die Norm stellt ohne Einschränkung auf den Bedarf für die Erfüllung der den Schuldner treffenden Unterhaltsverpflichtung ab. Ihr kann nicht entnommen werden, dass für die Bestimmung des pfandfreien Betrags nur der Betrag maßgebend sein soll, den der Schuldner tatsächlich leistet.

Zweck der Regelung des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist, dass die dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger vorrangigen oder gleichstehenden Gläubiger durch die Vollstreckung nicht benachteiligt werden (MünchKomm-ZPO/Smid, 3. Aufl., § 850d Rn. 27). Durch die Berücksichtigung des pfandfreien Betrags soll diesen weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit eröffnet werden, ihren Unterhaltsanspruch in größtmöglichem Umfang realisieren zu können, entweder durch freiwillige Leistungen des Schuldners oder im Wege der Zwangsvollstreckung. Beides ist nur dann gewährleistet, wenn dem Schuldner der für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht erforderliche Betrag ungeschmälert zur Verfügung steht. Auch wenn er tatsächlich nur weniger leistet, muss den weiteren Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit erhalten bleiben, ihren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das nicht der Fall wäre, wenn nur der tatsächlich geleistete Unterhalt bei der Bemessung des pfandfreien Betrags angesetzt würde. Denn dann wäre der Differenzbetrag zwischen dem geschuldeten und dem geleisteten Unterhalt der Pfändung unterworfen. Dadurch würde der die Zwangsvollstreckung betreibende Unterhaltsgläubiger bevorzugt, obwohl § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO eine gleichmäßige Befriedigung aller gleichberechtigten Unterhaltsgläubiger gewährleisten soll (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 850d Rn. 11a).

pdf BGH 05.08.2010 Pfändungsfreigrenzen bei Unterhaltspfändung