Hat der Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, ruht sein Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 143 Abs. 2 SGB III auch dann bereits ab dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn er Krankengeld nach § 44 SGB V bezieht. Der Ruhenszeitraum verschiebt sich nicht auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung.
(BAG Urteil vom 17.11.2010 - 10 AZR 649/09 -)

Die Bundesagentur für Arbeit verlangte aus übergegangenem Recht von dem gekündigten und arbeitslosen Arbeitnehmer die Rückzahlung von Arbeitlosengeld wegen der an ihn gezahlten Urlaubsabgeltung. Die Klage wurde abgewiesen.

Ist ein Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisse krank und kann er deswegen seinen Erholungsurlaub nicht oder nicht vollständig vor Beendigung des Arbeitsverhältnisse nehmen, wird der Urlaub in Geld abgegolten. Da es sich um Arbeitsentgelt handelt, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die abgegoltenen Urlaubstage. Die Ruhensfrist beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisse. Ist der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch arbeitsunfähig erkrankt und erhält er nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit Arbeitslosengeld, verschiebt sich der Ruhenszeitraum nicht.

Ist die Dauer der Krankheit länger als die Dauer der abgegoltenen Urlaubstage, steht dem Arbeitnehmer mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu.

aus dem Urteil:

a) Nach § 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Ein Übergang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auf die BA gemäß § 115 Abs. 1 SGB X findet dann statt, wenn der Arbeitslose während des Ruhenszeitraums Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III erhält (Gleichwohlgewährung). Der Forderungsübergang wird zeitlich durch den Ruhenszeitraum und der Höhe nach durch das in diesem Zeitraum gezahlte Arbeitslosengeld begrenzt (vgl. BAG 28. April 1983 - 2 AZR 446/81 - zu II 4 a der Gründe, AP AFG § 117 Nr. 3 = EzA AFG § 117 Nr. 3; Winkler in Gagel SGB II/SGB III Stand Juli 2010 § 143 SGB III Rn. 61). Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses, mithin mit dem ersten Tag, der auf das Ende des Arbeitsverhältnisses folgt. Der Ruhenszeitraum läuft kalendermäßig ab (BSG 7. Februar 2002 - B 7 AL 28/01 R - zu 2 der Gründe; 2. November 2000 - B 11 AL 25/00 R - zu 1.1 der Gründe, BuW 2001, 351; vgl. Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 49). Er endet deshalb mit dem Ende des letzten (fiktiven) Urlaubstags.

b) Während des Ruhenszeitraums gemäß § 143 Abs. 2 SGB III hat die Beklagte kein Arbeitslosengeld, sondern Krankengeld bezogen. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 2005. Der Ruhenszeitraum begann gemäß § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III am 1. Januar 2006. Die Beklagte bezog bis zum 31. März ausschließlich Krankengeld (§ 44 SGB V) und erst ab dem 1. April 2006 Arbeitslosengeld. Zu diesem Zeitpunkt war der sich aus der Abgeltung von 28 Urlaubstagen errechnende Ruhenszeitraum abgelaufen. Durch die Zahlung des Arbeitslosengelds ab 1. April 2006 wurde deshalb kein Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X, § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III bewirkt.

c) Eine Verschiebung des Ruhenszeitraums auf die Zeit nach Beendigung der Erkrankung erfolgt im Rahmen von § 143 Abs. 2 SGB III nicht (LSG Berlin-Brandenburg 30. März 2010 - L 18 AL 212/09 NZB - zu II der Gründe; Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 49; vgl. Henke in Eicher/Schlegel SGB III Stand September 2010 § 143 Rn. 96). Dies sieht § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III nicht vor. Die Norm enthält nach Wortlaut, Systematik und Zweck eine eindeutige und abschließende Regelung.
aa) § 143 Abs. 2 Satz 2 SGB III bestimmt seinem Wortlaut nach zweifelsfrei, an welchem Tag der Ruhenszeitraum beginnt. Er sieht eine Verschiebung dieses Zeitraums bei Zahlung von Krankengeld nicht vor. Systematisch wird dies dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber in § 143a Abs. 1 Satz 5 SGB III ausdrücklich einen Fall der Verlängerung des Ruhenszeitraums bei Erhalt einer oder Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung geregelt hat. Auch nach dem Zweck der Norm ist ein anderes Verständnis nicht geboten. Die Vorschrift dient einerseits der Existenzsicherung und will andererseits Doppelleistungen von Arbeitslosengeld und Arbeits- bzw. Urlaubsvergütung ausschließen (Winkler in Gagel § 143 SGB III Rn. 3). Im Verhältnis zur BA liegt eine Doppelleistung aber nicht vor, wenn kein Arbeitslosengeld gezahlt wird. Im Verhältnis zur Krankenkasse bewirkt eine für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährte Urlaubsabgeltung nicht das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 44 SGB V (BSG 30. Mai 2006 - B 1 KR 26/05 R - SozR 4-2500 § 49 Nr. 4). Gegen eine Verschiebung des Ruhenszeitraums spricht schließlich, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht und nicht mehr von einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abhängig ist (24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - BAGE 130, 119). Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann deshalb nur im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.

Das komplette Urteil