(BAG Urteil vom 14.12.2006 - 8 AZR 763/05)

Betriebsübergang und Widerspruchsfrist

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der bisherige Arbeitgeber und der Erwerber haben die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang schriftlich zu unterrichten über

  1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
  2. den Grund für den Übergang,
  3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
  4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Dem Arbeitnehmer steht gem. § 613 a Abs. 6 BGB ein Widerspruchsrecht zu. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung über den Betriebsübergang. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.12.2006, AZ: 8 AZR 763/05 erneut und zum wiederholten Male festgestellt, dass die Arbeitnehmer durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts nach § 613 a Abs. 6 BGB erhalten sollen. Die Widerspruchsfrist wird weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung ausgelöst. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist und die Tatsachen korrekt dargestellt sind, kann vom Arbeitsgericht überprüft werden. Dabei sind der Betriebsveräußerer und der Betriebserwerber für die Erfüllung der Unterrichtungspflicht darlegungs- und beweispflichtig. Genügt die Unterrichtung jedoch zunächst formal den gesetzlichen Anforderungen des § 613 a Abs. 5 BGB und ist sie nicht offensichtlich fehlerhaft, ist es Sache des Arbeitsnehmers Mängel an der Unterrichtung im Einzelnen näher darzulegen. Schildert der Arbeitnehmer konkrete Mängel, sind dann wiederum der Betriebsveräußerer und der Betriebserwerber verpflichtet, diese Einwände zu entkräften.

Dabei verlangt § 613 a Abs. 5 BGB keine individuelle Unterrichtung jedes Einzelnen vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers. Erforderlich ist lediglich eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für einen juristischen Laien möglichst verständlichen Sprache. Eine standardisierte Information muss darüber hinaus auch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen.

Im Rahmen der Unterrichtungspflicht ist dem Arbeitnehmer auch Klarheit über die Identität des Erwerbers zu verschaffen. Hierzu gehört grundsätzlich die genaue Bezeichnung und die Angabe des Sitzes bzw. der Adresse des Erwerbers. Auch ist der Gegenstand des Betriebs-übergangs mitzuteilen. Nach § 613 a Abs. 5 Nr. 2 BGB ist der Grund für den Betriebsübergang anzugeben. Hierunter ist in der Regel der Rechtsgrund für die Betriebsübergang, wie Kaufvertrag, Pachtvertrag, Umwandlung, etc. gemeint. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Unterrichtungspflicht, nämlich dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für seine Entscheidung über die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts zu geben, sind die zum Übergang führenden unternehmeri-schen Erwägungen, soweit sie sich auf den Arbeitsplatz auswirken können, zumindest schlagwortartig anzugeben. § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB erfordert im Weiteren eine Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Folgen des Betriebsüberganges für die Arbeitnehmer. Ausschlaggebend dafür ist der Kenntnisstand des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung.

Die Arbeitnehmer sind ferner über die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang ergebenen Rechtsfolgen zu informieren. Hierzu gehört ein Hinweis auf den Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, auf die Gesamt-schuldnerschaft des Erwerbers und Veräußerers und die anteilige Haftung nach § 613 a Abs. 2 BGB sowie grundsätzlich auch ein Hinweis auf die kündigungsrechtliche Situation.

Wegen des genannten Zwecks der Unterrichtung kann der Arbeitnehmer auch über die Folgen zu informieren sein, die im Falle eines Widerspruchs zur Anwendung kommen, also z. Bsp. ein Sozialplan mit Abfindungsregelungen.

Auch wenn die Unterrichtung verspätet, z. Bsp. erst nach dem Betriebsübergang erfolgt, ist noch ein Widerspruch möglich. Die Widerspruchsfrist beginnt dann mit dem Zugang der Un-terrichtung. Der Widerspruch wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsüberganges zurück.

Das Recht des Arbeitnehmers, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen, kann verwirkt werden.

Aufgrund der Vielzahl der zu beachtenden Aspekte bei der Unterrichtung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang sollten sich Arbeitgeber, die vor einem Betriebsübergang stehen und Arbeitnehmer, die über einen Betriebsübergang unterrichtet worden sind, umfassend an-waltlich beraten lassen.

03.08.2007
(Rechtsanwalt Dienemann)