Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt voraus, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte.
Trotz der nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern können dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte aus einer Nebentätigkeit nur insoweit zugerechnet werden, als ihm eine solche Tätigkeit im Einzelfall zumutbar ist.
(BGH Urteil 03.12.2008 - XII ZR 182/06 -)

 

Im vorliegenden Fall war ein Vater seinem 16-jährigen und damit minderjährigen Sohn unterhaltspflichtig. Der Vater hatte aber noch ein weiteres minderjähriges Kind zu versorgen und seine Einkünfte reichten nicht aus, beiden Kindern den Unterhalt in Höhe des (damaligen) Regelbetrages zu leisten. Es lag ein Mangelfall vor. Das OLG Naumburg hielt den vollschichtig tätigen Vater, der auch Überstunden in nicht unerheblichen Maße leistete, wegen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 BGB) verpflichtet, einer Nebentätigkeit nachzugehen, um den Regelbetrag (heute Mindestunterhalt) sicher zu stellen. Da er das nicht tat, rechnete es ihm fiktiv ein weiteres Einkommen von 150,00 € hinzu und verurteilte ihn zur Zahlung des Regelbetrages.

Der BGH hat die Entscheidung wegen Unverhältnismäßigkeit aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurück verwiesen.

Es muss geprüft werden, ob dem Beklagten neben seiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit, eventuellen Überstunden, der Kontaktpflege mit seinen Kindern und der Belastung durch die Haushaltsführung überhaupt genügend Zeit für eine Nebentätigkeit an Samstagen verbleibt.

Bei Ermittlung der Belastbarkeit eines unterhaltspflichtigen Arbeitnehmers sind auch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zu beachten (Wochenarbeitszeit 6 Tage x 8 Stunden). Ferner sind auch die tatsächlichen Möglichkeiten vor Ort für eine zusätzliche Nebentätigkeit zu berücksichtigen.

pdf BGH 03.12.2008 Zurechnung fiktiver Einkünfte